Finanzmärkte steigen und fallen. Als Anleger versuchen wir davon zu profitieren, als hauptberuflicher Trader gar davon zu leben. Aktienbörsen bilden ohne Zweifel den weltweit wichtigsten Marktplatz, denn praktisch alle großen Unternehmen dieser Welt notieren an einer Börse. Sie begeben Aktien, die den eigenen Firmenwert repräsentieren sollen – so zumindest die Theorie. Ebenso theoretisch wird es, wenn wir diskutieren was diese Aktienkurse nun wirklich bestimmt, was diese täglich bewegt.
Fundamental Analyse
Fundamental bedeutet vereinfacht, zu wissen wie viel Geld eine Firma einnimmt und ausgibt, plus ob sie etwas besitzt oder verschuldet ist. Klingt einfach, oder doch nicht? Wissen sie von sich selbst, wie viel sie wert sind, also da wo sie alle Fakten persönlich kennen? Fangen wir an und addieren den Wert unseres Hauses abzüglich Schulden, ergänzen … Moment, was ist der Wert unseres Hauses? 250.000 Euro oder wären 300.000 drinnen, vielleicht nur 200.000 wenn ein Verkauf jetzt sofort erfolgen müsste? Das Auto könnten wir sicher verkaufen um – ja um was denn nun?
Effiziente Märkte (Random Walk Theorie)
Die Theorie der effizienten Märkte glaubt ebenso alles zu wissen. Alles was bekannt ist, ist bereits im Aktienkurs eingepreist. Nur dumm, dass ein Unternehmen im Gegensatz zu uns nicht nur ein Häuschen in Hamburg besitzt, sondern Grundstücke, Fabriken und Bürogebäude in 47 Ländern der Welt. Die CEOs haben keine Ahnung wie viel die eigenen „Assets“ wirklich wert sind, schon gar nicht jeden Tag oder bei jedem Auf- und Ab-Tick des Aktienkurses. Und es wird schlimmer, Aktienkurse beinhalten laut dieser Theorie angeblich nicht nur den aktuellen Wert, sondern gar den zukünftigen! Ja klar, wir kennen ja auch bereits die Lottozahlen der morgigen Ziehung.
Technische Analyse
Chartisten verzichten auf die Verwendung obig angeführter, buchhalterisch geschönter, pardon geschätzter Unternehmenswerte und auf wildes Herumraten, wie hoch zukünftige Gewinn sein werden. Sie zeichnen Linien ein, die extrem gut zeigen was bereits passiert ist. Aber selbst das lässt sich so verkomplizieren, dass man an Steller eindeutiger Dinge – wie das Hoch der letzten Woche das bei 42.78 lag – auch hier in esoterische Gefilde abzusteigen vermag. Plötzlich sollen sich einem wundersame Dinge optisch auftun, wie Wellen des Herrn Elliott, 1-2-3 Formationen die mal Tasse mit Henkel (Cup-with-Handle) genannt werden oder wir „erkennen“ zwei „markante“ Punkte am Kurschart und behaupten, dass der Kurs nun auf 62.8% „retracen“ wird. Ob wir dann dort long (kaufen) oder short (verkaufen) einsteigen sollen, hängt vom aktuell gefragten Fibonacci-Guru ab - oder dessen zufälliger Tagesstimmung.
Faktenbasiertes Trading (Backtesting, Trading mit System)
Es gibt dann auch so Trader (wie mich) die versuchen, einfache, auf eindeutigen Fakten bzw. Wahrscheinlichkeiten basierende Strategien und Handelssysteme zu erarbeiten, um aus den oben genannten – und den unzählig weiteren Möglichkeiten – jene herauszufinden, die wirklich funktionieren, also test- und überprüfbar sind. Egal ob Charttechnik, Indikatoren, Candlestick-Formationen, Newstrading oder Fundamentaldaten, Analystenbewertungen oder Preisverhalten. Auch egal, ob die „Efficient Market Theory“ das Wunschdenken vergrämter Professoren oder geniales Wissen jenseits von uns Normalsterblichen ist; wir Testen auch das emotionslos, zum Beispiel dann mittels Positionsgrößenmodellen und anderen Methoden, die korrekt getradet selbst bei einer 50:50 Wahrscheinlichkeit ein Plus am Konto ermöglichen würden.
Jetzt wird es heiß, nämlich verhaltensbasiert: Behavioral Finance
Unabhängig davon, welchen oben angeführten theoretischen Ansatz man lieber mag oder so wie ich Praktisches und Handfestes bevorzugt. Die Finanzwelt – wie das echte Leben auch – basiert in erster Linie auf unserem menschlichen Verhalten. Gehirnforschung der letzten Jahre zeigt dank modernster Technik erstmals, wie unser Denken tatsächlich abläuft und wie sehr Emotionen bzw. Gefühle unsere Sicht der Welt – unsere Sicht des Tradings – prägt. Also selbst das, von dem wir überzeugt sind es objektiv und rational zu tun, in Wahrheit eine menschliche Bauchentscheidung darstellt.
High-Frequenzy-Trading sind blitzschnelle Computer die im Millisekunden-Bereich mehrere Trades durchführen als wir im ganzen Leben. Doch ein- und ausgeschalten werden diese Maschinen letztlich vom 67 Jahre alten Finanzbank-Vorstandsdirektor der weder ein iPhone besitzt noch E-Mails selbst empfängt, der aber letztlich $ 4,6 Milliarden Einlagevermögen seiner Klienten verantwortet. Fällt der S&P-500 Index über vier Tage, setzt bei ihm leichte Panik ein und er lässt die Rechner abschalten, egal ob die mathematische Wahrscheinlichkeit das genaue Gegenteil vorgeben würde.
Panik ist die viel zu späte Reaktion auf längst zu hoch gestiegene Kurse. Gier der Grund, warum diese überhaupt derartig absurde Höhen erreichen.
Zwei Paar Schuhe: Behavioral Finance und mentale Tradinghürden
Vielfach verwechseln wir Behavioral Finance, den in meinen Augen wesentlichen Treiber der Finanzwelt, mit den mentalen Anforderungen oder Schwächen unter denen wir einfachen Trader bzw. Anleger zu kämpfen haben. Wenn Gier und Panik des Big-Moneys bestimmte Wirtschafts- oder Aktien-Zyklen ausbildet, dann sind das vorgegebene Muster, die wir als Trader erkennen und nützen (=handeln) müssen. Hingegen, wenn wir selbst unsere Investments, unsere einzelnen Trades verhauen weil auch wir mal gierig agieren oder in Panik genau das Falsche machen, so hat das die gleichen menschlichen Ursachen, es sind aber letztlich doch zwei komplett verschiedene Paar Schuhe.
Ein Beispiel: Wenn Menschen gerne essen gehen weil sie hungrig sind, dann sollte man nicht selbst ein Restaurant deshalb eröffnen, weil man gerade besonders hungrig ist oder selber sehr viel essen kann, sondern wenn man gut und nach erprobten Rezepten kochen kann und es als Gastronom versteht, ein einladendes Ambiente zu schaffen, gute Ware preiswert einzukaufen ohne Schwund wegwerfen zu müssen, Kellner managen kann und diese dazu bringt, zu den Gästen freundlich zu sein – sonst entschwinden die Hungrigen zum Dönerstand um die Ecke.
Mein Tipp
Da ich vom Trading lebe und nicht davon ob ich am Stammtisch recht bekomme, was oder was nicht die Finanzmärkte letztlich wirklich bewegt: Entscheidend ist, was wir auf welche reproduzierbare, nüchtern-analytische Weise traden. Selbst wenn der Markt tatsächlich in großem Maße von Emotionen (Behavioral Finance) getrieben ist, wir und unsere Trades sollten es nicht sein, im Gegenteil. Ein Mentalcoach macht aus einer falschen Strategie keine profitablen Trades - nur eine richtige Strategie macht profitable Trades!
Gute Performance mit System!
Harry L. Helnwein,
HelnweinTrading.com